Was sich für Patient:innen ändern könnte 

Wie bereits im Referentenentwurf vom Juli vorgeschlagen, bleibt der Kern des Vorhabens auch in der nun vom Kabinett beschlossenen Fassung zunächst unverändert. So soll die Erstverordnung von Cannabisblüten weiterhin nur nach einem persönlichen Kontakt – in der Praxis oder beim Hausbesuch – möglich sein. Für Folgeverschreibungen ist mindestens einmal jährlich ein solcher persönlicher Kontakt vorgesehen. Auch das geplante Verbot des Versandhandels bleibt Teil des Entwurfs. Bereits in der ersten Entwurfsfassung hatte dieser Punkt für Diskussionen gesorgt, insbesondere mit Blick auf die Versorgung in ländlichen Regionen und für mobilitätseingeschränkte Patient:innen. 

 

Importzahlen, Telemedizin und der Streit um die Interpretation
Die Begründung des Bundesgesundheitsministeriums verweist weiterhin auf stark gestiegene Importzahlen, die man mit einer vermehrten Nutzung telemedizinischer Plattformen in Verbindung bringt. Doch genau hier beginnt die politische und gesellschaftliche Debatte. Denn die Zahlen erzählen mehr als eine Seite der Geschichte. Während die Importmengen im zweiten Halbjahr 2024 tatsächlich um rund 170 % angestiegen sind, wuchs die Zahl der GKV-Verordnungen nur moderat. Das legt nahe: Der erleichterte Zugang durch die Entlassung aus dem Betäubungsmittelgesetz hat vielen Menschen den Weg zur medizinischen Cannabistherapie eröffnet – auch solchen, die zuvor durchs Raster gefallen sind, etwa weil sie keine schwerwiegenden Diagnosen im Sinne der Kassenversorgung vorweisen konnten. Zugleich zeigen Rückmeldungen aus der Versorgungspraxis, dass insbesondere chronisch kranke und mobilitätseingeschränkte Patient:innen von der Versandoption profitiert haben – etwa in ländlichen Regionen, wo wohnortnahe Apotheken mit Cannabisblüten kaum verfügbar sind. 

 

Gesetzgebung in Bewegung: Der Bundestag wird mitreden 

Mit der Kabinettsbefassung ist der Entwurf nun auf dem Weg in den Bundestag – und es gilt als sehr wahrscheinlich, dass er dort in zentralen Punkten noch verändert wird. Erste Stimmen, auch aus der Koalition, haben bereits deutlich gemacht, dass die aktuelle Fassung insbesondere beim Versandverbot und bei der Definition persönlicher Arztkontakte nachgebessert werden muss. Zugleich läuft ein weiteres Prüfverfahren auf EU-Ebene: Die Notifizierung des Entwurfs bei der Europäischen Kommission ermöglicht es anderen Mitgliedstaaten und der Kommission selbst, mögliche Bedenken anzumelden – etwa im Hinblick auf Einschränkungen telemedizinischer Leistungen und die Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt. Wann und in welcher Form Einwände eingehen, bleibt zwar offen – doch klar ist: Der jetzige Stand ist nicht das Ende der Debatte. 

 

Jetzt ist die Zeit, sich einzubringen 

In jedem Fall ist jetzt der richtige Moment, um sich aktiv einzubringen. Die öffentliche Konsultationsphase ist zwar abgeschlossen, doch das parlamentarische Verfahren bietet weiterhin Gelegenheiten zur Einflussnahme – über Verbände, Fachgespräche oder direkte Ansprache politischer Entscheidungsträger. Wer sich für eine ausgewogene, zugleich patientenfreundliche und rechtssichere Regulierung einsetzen will, sollte jetzt präsent sein. Denn eines zeigt dieser Gesetzgebungsprozess einmal mehr: Zwischen politischer Steuerung und Versorgungsrealität liegt oft ein schmaler Grat. Umso wichtiger ist es, diesen Prozess konstruktiv mitzugestalten.