Sie sind Apothekerin und Unternehmerin zugleich. Was treibt Sie an?

Zum einen stehe ich unter Spannung und versuche dabei, möglichst entspannt zu bleiben. Einerseits bin ich altmodisch und denke, eine Apothekerin hat mehr von einer Hausärztin als von einem Kaufmann. Analog zum Hausarzt sind wir für viele Menschen die Hausapotheke. Wir sind beratende Apotheken. Man kennt sich, man vertraut sich, gerade wo wir uns spezialisiert haben mit #kinkgesund und medizinal.com. Andererseits bin ich voll im Start-up-Modus. Wir arbeiten daran, die Apotheke neu zu erfinden. Als Unternehmerin interessiere ich mich für die personalisierte Medizin, die hoffentlich kommen wird. Individuelle Pharmazie begeistert mich! Da bin ich Aktivistin. Ich bin sehr kritisch mit Big Pharma und dem industriellen Blick auf Menschen und ihre Gesundheit. Dabei kann es nicht bleiben.

 

Einer Ihrer Schwerpunkte ist die Versorgung mit medizinischem Cannabis. Was waren für Sie als Apothekerin, aber auch als Unternehmerin die größten Herausforderungen in den letzten Jahren?

Medizinisches Cannabis hat sich noch immer nicht als seriöses Arzneimittel etabliert, was mich täglich vor große Herausforderungen stellt. Die größten Schwierigkeiten ergeben sich aus unserer Rolle als Apotheke, was wir deutlich an den Schikanen der Kassen, der Desinformation durch Verbände und der Pharma-PR spüren. Es herrscht die Auffassung, dass nur Therapien mit fertigen Arzneimitteln sinnvoll seien, was zu einem latenten Misstrauen gegenüber Patientinnen und Patienten führt, die angeblich nur standardisierte Industrieprodukte erhalten sollten. Dies untergräbt die Wertschätzung unserer pharmakologischen Expertise, obwohl wir genau wissen, wie diese Behandlungen wirken und wie sie den Betroffenen helfen können. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) scheinen gegen uns zu arbeiten und versuchen, die Therapie mit Cannabisblüten zu verdrängen. Dazu kommt, dass die Forschung zu Medizinalcannabis unzureichend ist, was die Situation weiter verschärft.

 

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Irrglaube über Medizinal Cannabis?

Wir haben immer noch die gleichen Vorurteile. Ein großer Irrglaube ist, dass Cannabis, das geraucht werden kann, keine Medizin sein könne. Viele denken, Rezepte für Cannabisblüten seien nur für den Genuss. Doch das ist falsch. Mit dieser „gescheiterten Legalisierung“, so sehe ich sie, macht mir Kopfzerbrechen, weil ich befürchte, dass die Krankenkassen irgendwann damit durchkommen und die Blüten nicht mehr finanziert werden. (Das haben wir schon einmal verhindern können im Jahr 2023). Das wäre sehr schlecht für die schwerwiegend oder überwiegend schwerkranken Patientinnen und Patienten, denen das wirklich hilft.


Was hat sich für Sie seit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes verändert?

Das Chaos in den Apotheken ist größer. Es fällt uns schwer zu unterscheiden, wer Patient ist und wer Freizeitkonsument. Die Flut an minderwertiger Ware und das Aufkommen dubioser Online-Plattformen (und ich möchte sie nicht alle über einen Kamm scheren) erschweren unsere Arbeit zusätzlich. Wir haben es leider verpasst, hier eine richtige Trennlinie zu ziehen. Es ist nicht unsere Aufgabe als Apotheke zu entscheiden, ob jemand wirklich Patient ist oder ob der verschreibende Arzt legitim ist.

Natürlich ist es einfacher für Ärzte, sich dem Thema jetzt anzunehmen und Verschreibungen vorzunehmen. Doch trotz der Legalisierung hat sich in der Wahrnehmung der Menschen wenig verändert. Das Thema hat zwar gesellschaftlich Anklang gefunden, aber ob mehr von den bereits bekannten Ärzten oder neuen niedergelassenen Ärzten Engagement gezeigt wird, lässt sich schwer beurteilen.

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Warum ist für Sie die Legalisierung gescheitert?

Die Ankündigung, dass Deutschland legalisieren wird, hat dazu geführt, dass Hersteller Kapazitäten aufgebaut haben, für die es jetzt keinen legalen Markt gibt. Die zweite Säule der Legalisierung ist ja nicht gekommen. Die Kommerzialisierung hat nicht stattgefunden. Was in Cannabis-Shops hätte landen sollen, drückt nun in die Apotheken. Das hat dazu geführt, dass im Internet eine dubiose Infrastruktur entstanden ist, die Konsumenten zu Patienten deklariert. Im Moment fehlt die zweite Säule sehr deutlich. Ich stehe ​​für die Sache Medizinalcannabis als seriöses Arzneimittel durchzubringen und nicht Freizeitkonsumenten jetzt über Umwege zu beliefern. Ich möchte eine solide zweite Säule aufbauen, um dann zu diskutieren, wo Freizeitkonsumenten in Zukunft ihr Cannabis kaufen können.


Was würden Sie sich von der Bundesregierung für eine nachhaltige Stärkung und Weiterentwicklung der Versorgung mit medizinal Cannabis wünschen?

​​​Die Legalisierung bringt Medizinalcannabis massiv unter Druck, weil es die Politik versäumt hat, den Unterschied zu Freizeitcannabis klar zu regeln. Das muss dringend nachgeholt werden! Meiner Meinung nach sind mehr staatliche Qualitätskontrollen und deutlich mehr Forschung notwendig. Wir müssen daran arbeiten, damit wir verbindliche Indikationen festlegen können. Zudem ist eine bessere Anerkennung und Finanzierung der patientenindividuellen Apothekenarbeit erforderlich. ​​Unsere Expertise haben wir uns mühevoll und aus eigenem Antrieb erarbeitet, da im Studium nichts über Medizinalcannabis gelehrt wird. Diese Inhalte gehören definitiv in die Ausbildung von Ärzten und Apothekern.

Sons(t) noch was?

Habt Ihr spezielle Fragen oder Anregungen für das Cannabis-Briefing? Dann schreibt uns eine Mail an briefing@cansativa.de. Wenn Ihr Interesse habt, mit uns die Cannabisbranche zu revolutionieren, dann bleibt dran und folgt unseren Briefings!

Wir wünschen eine gute Lektüre!

Mit legalisierenden Grüßen

Jakob Sons

Gründer von Cansativa

Benedikt Sons

Gründer von Cansativa