Ausgangslage: Die Handhabe von Cannabis als Medizin steht auf dem Prüfstand.

Seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ im März 2017 dürfen Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative verordnet werden. Die Verantwortung hierfür wurde im selben Jahr in die Hände der behandelnden Ärzt:innen gelegt. Die Kosten, die für Patient:innen im Rahmen der Behandlung entstehen, wurden hierbei – bei vorheriger Kostenübernahmegenehmigung – durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen. In einer Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)wurden Daten zur Verschreibung von cannabishaltigen Medizinpräparaten und Therapien im Zeitraum zwischen 2017 und 2022 erfasst. Auf dieser Grundlage hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun Änderungen der Arzneimittel-Richtlinieausgearbeitet, um die Handhabe von Cannabisarzneimitteln zu verbessern.

Diese Änderungsvorschläge liegen mittlerweile vor und bis zum 30.11. bestand die Möglichkeit, zu diesen Änderungen und der Begleiterhebung beim G-BA Stellung zu beziehen. Dies hat die Cansativa Group gemeinsam mit dem Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC) nun getan.

Der G-BA schlägt drastische Maßnahmen vor: Patient:innen und Ärzt:innen erwarten schwer abschätzbare Folgen.

Der neue Entwurf der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) beinhaltet jeweils unterschiedliche, alternative Vorschläge. Während z.B. eine Variante der Richtlinie den Erhalt des Status Quo vorsieht, ist die andere Variante mit einer Reihe Verschärfungen und Einschränkungen verbunden. Dabei haben einige dieser vorgeschlagenen Verschärfungen drastische Folgen.

Dabei wird die Therapiehoheit der behandelnden Ärzt:innen im neuen Vorschlag des G-BAs mit tiefgreifendenÄnderungen konfrontiert: Die restriktive Alternative sieht vor, die Verschreibung von Cannabispräparaten nur noch Fachärzt:innen zu ermöglichen. Hausärzt:innen könnten Cannabis dadurch nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verschreiben und wären auf eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Fachärzt:innen angewiesen. Was offenbar zur regelmäßigen Beurteilung des Therapiezwecks beitragen soll, erhöht nicht nur das Patientenaufkommen bei Fachärzt:innen sondern behindert eine flächendeckender Versorgung der Patient:innen. Ein allgemeiner Facharztvorbehalt schränkt die Patientenversorgung massiv ein, denn eine flächendeckende Versorgung rein durch Fachärzt:innen ist vollkommen unmöglichund auch nicht erforderlich. Gerade Patient:innen in bewährter und eingestellter Dauertherapie sind auf ihre hausärztliche Versorgung angewiesen.

Methodisch im Blindflug: G-BA Vorschläge basieren auf sehr schwacher Datenlage

Als Grundlage seiner Vorschläge greift der G-BA auf die nicht-interventionelle Begleiterhebung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)zurück. Diese sollte allerdings nur mit Vorsicht interpretiert werden, da sie einige methodische Schwächen und Einschränkungen aufweist: Die Erhebung ist keine klinische Studie und die sehr beschränkte Datengrundlage führt zu einer geringen Aussagekraft der Erhebung. Zum Beispiel werden gar nicht alle Patientengruppen oder Symptomatiken erfasst: Insgesamt fließen nur 16.809 vollständige Datensätze in den Bericht ein. Es wird allerdings von einer wesentlich größeren Patientenbasis ausgegangen: Die Deutsche Schmerzgesellschaft spricht von bis zu 70.0001Patient:innen, an anderer Stelle wird inoffiziell mit bis zu 150.000 Cannabispatient:innen gerechnet. Obwohl es sich um die derzeit umfangreichste deutsche Datensammlung über Therapien mit Cannabisarzneimitteln handelt, bildet sie Patient:innen, die cannabishaltige Arzneimittel auf Privatrezept erhalten, gar nicht ab.

Auf dieser Grundlage schlägt der G-BA einige sehr weitgreifende Inhalte vor:

Zusätzlich wird die Arbeit der behandelnden Ärzt:innen dabei durch wesentlich strengere Dokumentationspflichtenstark belastet. Diese Pflichten sind nicht nur ungerechtfertigt, sie bedeuten für die Hausärzt:innen eine enorme Mehrbelastung, sind zweifelhaft begründet und setzeneinen allgemeinen Trend in die Überbürokratisierung der Gesundheitsversorgung fort.

Der Nachrang von Cannabisblüten ist ein weiterer Vorschlag, der Patient:innenstark einschränkt und die Arbeit der behandelnden Ärzt:innen in Frage stellt. Nach Auffassung des BfArM seien Cannabisblüten therapeutisch schwieriger zu steuern, es bestehe ein erhöhtes Missbrauchspotenzial. Diese Begründung scheint nicht zu berücksichtigen, dass es sich um langfristige Therapien unter ärztlicher Betreuung handelt. Die ganze Erwägung stellt einen ungerechtfertigten Eingriff in die Therapiehoheit der Ärzt:in dar und soll einer Problematik begegnen, die bereits durch die Überprüfung der Verordnungspraxis der Kassenärzt:in sichergestellt wird.Die Kassenärzt:innen sind im Rahmen des Wirtschaftslichkeitsgebot bereits hinreichend zur Abwägung verschiedenerTherapieoptionen verpflichtet.

Der G-BA strapaziert die verfügbare Datenlage, den Prozess und seine Kompetenzen als Gremium

Einige dieser Vorschläge des Gemeinsamen Bundesausschuss gehen weit über das hinaus, was üblicherweise mit einer Richtlinie geregelt wird. Wenn es um fundamentale Entscheidungen zum Vertrauen in Kompetenz oder Absicht der behandelnden Ärzt:innen geht, sollte sich um ein Gesetz und einen inklusiven, gesamtgesellschaftlichen Prozess bemüht werden.Wenn der G-BA densozialgesetzlich verbrieften Zugang zur Cannabistherapie nun durch die Hintertür einzuschränken sucht, so überschreitet er seine Kompetenzenund schwingt sich zum Gesetzgeber auf.

Cannabis als Medizin braucht dringende Reformen in Deutschland und der Gemeinsame Bundesausschuss setzt sich richtigerweise mit Cannabis auseinander. Unmittelbar helfen würde eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehaltes, der viele Patient:innen die Kosten ihrer Therapie auferlegt. Obwohl die Leistung der Kostenübernahme nur “in begründeten Ausnahmefällen” durch die Krankenkasse abzulehnen ist, liegt die Ablehnungsquote für eine cannabisbasierte Therapie aktuell bei ca. 40%. Das macht eine bedarfsgerechte Therapie zu einem teuren Privileg und drängt mit den Kosten alleingelassenen Patient:innen in die mit sehr hohen Risiken verbundene Selbsttherapie über den Schwarzmarkt.

Statt der therapeutischen Praxis der Ärzt:innen ungesichertes Misstrauen gegenüberzustellen, könnte der G-BA die Therapiehoheit der Ärzteschaft sichern. Das Endocannabinoidsystems ist eines der wichtigsten körpereigenen Systeme zur Regulation der psycho-vegetativen Homöostase. Kenntnisse darüber gehören zum allgemeinen ärztlichen Wissen.

Zusätzliche Verschreibungs-und Verordnungshürden sowie punitiv anmutende Dokumentationspflichten tragen nicht nur ein bestehendes Stigma der Patient:innen auf die behandelnden Ärzt:innen fort, sondern erhöhen auch die Hemmschwelle zur Verordnung einer bewährten Therapieform.

Unser gemeinsames Ziel muss sein, allen Patient:innen die für sie beste Therapie zu ermögliche, natürlich auch wenn das auf die Verschreibung eines Cannabsisarzneimittels hinausläuft. Natürlich braucht es die Abwägung der Vor-und Nachteile einzelner cannabinoidbasierten Arzneimittel und verschiedener Applikationsformen. Das ist bereits heute ein fester Bestandteil der ärztlichen Behandlung.

1″BfArM-Begleiterhebung zu Cannabis zeigt Lücken des Wissens über Wirksamkeit der Cannabisprodukte auf” https://nachrichten.idw-online.de/2022/07/08/bfarm-begleiterhebung-zu-cannabis-zeigt-luecken-des-wissens-ueber-wirksamkeit-der-cannabisprodukte-auf abgerufen am 29. November 2022.

Über die Cansativa Group

Die Cansativa Group ist Marktführer im Medizinalcannabismarkt und versteht sich als treibende Kraft der Cannabisindustrie in Deutschland. Seit dem Zuschlag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im August 2020 sind sie das einzige Unternehmen mit der Zulassung für den Vertrieb von Medizinalcannabis aus deutschem Anbau. In der anstehenden Cannabislegalisierung sieht sich die Cansativa Group als Wegbereiter der Demokratisierung des Cannabismarktes. Sie importieren, lagern, lizenzieren, vertreiben, liefern, branden und klären auf.

Pressekontakt:
Ioana Freise
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